Die Jägerinnen der Wildkulinarik: Aus Liebe zur Natur und zum Genuss

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Wenn man als mehrheitlich vegetarisch und vegan lebende Person ein Interview über die Jagd führt, dann hat das schon besondere Gründe: Zum einen, weil ich seit langem denke, dass, wenn schon Fleisch aufs Teller kommt, dieses möglichst nicht aus einer Tierhaltung, sondern im besten Fall eben aus einer ethisch vertretbaren Jagd stammen sollte, und zum anderen, weil ich irgendwann herausfand, dass in meiner unmittelbaren, noch dazu urbanen, Nachbarschaft, zwei Frauen leben, die sich genau dieser Idee angenommen haben: Elke Zellinger und Ulrike Zöchbauer, die unter dem Namen Wildkulinarik ihre feinen Produkte anbieten.

Elke und Ulrike sind irgendwie Quereinsteigerinnen in die Thematik. Es war nicht unbedingt vorgegeben, die Passion der Jägerin zu leben, aber es hat sich auf schöne Art und Weise ergeben. Elke war immer schon sehr natur- und tierinteressiert gewesen, und es war die Verbindung von Natur und Kulinarik, die sie den Beschluss fassen ließ, den Jagdschein zu machen. Und Ulrike war es zwar einerseits in die Wiege gelegt worden, da ihr Vater sowohl die Jagd als auch die Verarbeitung des Fleisches beherrscht, andererseits hatte sie in früheren Jahren nicht daran gedacht, seiner Tradition einmal zu folgen.

 

Der Entschluss, Jägerin zu werden

Beide genossen es aber immer, auch Fleisch zu essen. Das Tier dafür selbst zu erlegen und das Fleisch selbst zu verarbeiten, war daher ein naheliegender Gedanke, so Ulrike:

Wenn man ein Tier erlegt, löst das schon etwas aus… denn dann muss man sich auch vor sich selbst rechtfertigen. Darüber habe ich sehr viel nachgedacht. Man kann natürlich vegetarisch leben, aber wenn man Fleisch mag, dann kann man es auch selbst erlegen – und in dem Fall möchte ich es auch selbst verarbeiten. Dabei ist mir eingefallen, dass ich viel Zeit mit meiner Großmutter verbracht habe, die zwei Weltkriege erlebt hatte. Sie hat immer zu mir gesagt: „Das, was du kannst, das kann dir niemand wegnehmen.“ Und da habe ich beschlossen, (Anm. die Jagd und die Fleischverarbeitung) von meinem Vater zu lernen. (…) Und so, wie wir es machen, ist es ethisch auch gut zu argumentieren.

Wenn bei Elke und Ulrike Fleisch auf den Tisch kommt, dann stammt dieses heute nur mehr aus der eigenen Jagd.

Doch es war natürlich auch ein weiter Weg dorthin, auf dem es viel zu lernen galt. Nicht umsonst, erzählte mir Elke bei unserer ersten Begegnung, würde man den Jagdschein die „grüne Matura“ nennen. Es hieß, sich intensiv mit der Materie auseinanderzusetzen und offen zu sein.

Als Elke sich entschlossen hatte, den Jagdschein zu machen, waren es noch wenige Frauen, die diesen Schritt unternahmen. Es werden jedoch immer mehr. Sie habe aber immer seitens der männlichen Kollegen auf großes Verständnis gestoßen. Das gemeinsame Interesse sorgte für ein Gleichheitsgefühl. Es sei ein Miteinander, bei dem jene, die schon über eine längere Erfahrung als Jäger oder Jägerin verfügen, den Lernenden mit Rat und Tat zur Seite stehen. Dass sich Männer und Frauen in den Jagdgesellschaften befinden, erweitere auch den jeweiligen Horizont. Unterschiedliche Sichtweisen ergänzen einander.

 

 

Ulrike überlegte auch, dass es etwas Wertvolles sein kann, wenn man in der Lage ist, selbst für das Essen sorgen zu können oder Essen selbst herzustellen. Dazu gehört auch, mit einer Waffe umgehen zu können, was sicher nicht so viele Frauen beherrschen, und das Bewusstsein über die Verantwortung, wann man als Jägerin abdrückt.

Das hat schon etwas für sich, wenn man selbst Essen machen kann und auch den Umgang mit einer Waffe beherrscht. Vielleicht machen sich Frauen ein bisschen mehr Gedanken über das Töten, als Männer das tun. Das Verwerten und das Kochen steht für Frauen vielleicht mehr im Vordergrund als die Trophäe. (…) Man muss immer überlegen, ob man schießt oder nicht. Das Schlimmste ist es ja, wenn man ein Tier anschießt. Das ist das Allerschlimmste. Wenn ich schieße, dann muss ich so schießen, dass das Tier danach liegt.

Keine Trophäenjagd

Den Jagdschein erlangt zu haben, bedeutet nicht, einfach in den Wald gehen und jagen zu können, erzählte Elke. Man muss Mitglied einer Jagdgesellschaft sein. Also begann sie, entsprechende Anzeigen zu studieren – und eine dabei fiel ihr als sehr sympathisch auf: In einem niederösterreichischen Revier südlich von Wien wurden AusgeherInnen gesucht und man betonte, dass man nicht an Trophäenjagd interessiert sei, sondern dass es sich um eine kleine, feine Jagdgesellschaft handle. Ausgeher oder Ausgeherin zu sein, bedeutet, als Mitglied einer Jagdgesellschaft eine offizielle Genehmigung des Jagdleiters oder der Jagdleiterin zu haben, um in einem bestimmten Revier für einen bestimmten Zeitraum die Jagderlaubnis zu besitzen. Für diese Erlaubnis ist dann eine jährliche Gebühr an die Jagdgesellschaft zu entrichten. Mit diesen Geldern werden das Revier und die Reviereinrichtungen in Stand gehalten.

Elke nahm jedenfalls Kontakt mit den Verantwortlichen, die die ansprechende Anzeige geschalten hatten, auf. Und eine der ersten Fragen richtete sich danach, ob sie denn auch fit genug sei. Es stellte sich heraus, dass es in diesem Revier lange Strecken zu gehen gibt. Im Durchschnitt lege man 12 Kilometer zurück, so Elke und Ulrike. Und sogar Hund Caramello, der immer mit von der Partie ist, habe anfangs unter Muskelkater gelitten.

 

Caramello in Aktion

 

Wenn das Unsichtbare sichtbar wird

Die Jagd habe ihre Augen für die Natur und die reiche Tierwelt geöffnet. Das Unsichtbare wird sichtbar. Es ist uns Menschen heute kaum bewusst, wie eng wir eigentlich mit den wilden Tieren zusammenleben. Diese seien, so erzählten mir die Jägerinnen, bloß für die meisten Menschen „unsichtbar“. Elke fiel bei dieser Überlegung eine Episode eines Jagdausflugs, wo sie sich in einem Gebiet nahe der niederösterreichischen Stadt Berndorf, das relativ nahe am Wohngebiet liegt, befunden hatte. Dort, wo gerade noch ein Mountainbiker vorbeigefahren war, tauchte plötzlich ein Wildtier auf:

Ich bin immer bewegt und erstaunt, wenn ich ein Wildtier sehe. Du sitzt da und denkst dir: Das steht jetzt wirklich vor mir. Und da, wo vorhin noch der Mountainbiker vorbeigefahren ist, kommt plötzlich ein Hirschtier hervor.

Verantwortungsvoller Umgang mit der Natur

Wir Menschen haben eine Verantwortung dieser Natur gegenüber, da diese hierzulande mit der von uns erschaffenen Kulturlandschaft aufs Engste verbunden ist. In diesem Zusammenhang brachte Elke den Begriff der „Kulturfolger“ ein:

Die Wildtiere, die wir jagen, sind sogenannte Kulturfolger. Diese Kulturfolger, wie das Reh oder der Fasan, gibt es, weil wir „Kultur“, also Feldfrüchte, anbauen. Auch Wildschweine beispielsweise fressen Feldfrüchte.
Der Europäer und die Europäerin träumen oft von dieser unberührten Natur (…) Doch das ist eigentlich etwas, das, seit es den Menschen gibt, gar nicht mehr so existiert. Und so, wie wir hier in Europa leben, gibt es ganz wenige Flächen, abgesehen der Nationalparks, die nicht bewirtschaftet werden. Und diese Kulturfolger, diese Tiere, leben mit uns in diesen Kulturlandschaften – und daher haben wir uns auch um diese zu kümmern. Im Sinne von Fürsorge, denn es gibt auch Notzeiten, in denen man die Tiere füttern muss, und auch darauf achten muss, dass, wenn einmal etwas passiert, zum Beispiel ein Reh in ein Auto läuft, man sich auch darum kümmert. Und auch wenn es eine Krankheit gibt, muss man sich etwas überlegen. Wir haben eine Verantwortung gegenüber dieser „Wildnis“, die von uns erschaffen wurde. Und deswegen ist es so, wenn man die Jagd ethisch und mit Verantwortung betreibt und das Glück hat, dass man manchmal ein Wildtier entnehmen und verarbeiten darf, absolut in Ordnung. Problematisch ist es, wenn Wildtiere entnommen werden, die schon rar sind – oder wenn Wildtiere auf eine Art und Weise erlegt werden, die ethisch nicht vertretbar ist.

Morgenansitz

 

Jagd und Umweltschutz

Elke und Ulrike lobten an dieser Stelle auch die österreichischen Standards bei der Jagd. Die meisten Jäger und Jägerinnen sind naturverbunden, lieben die Natur und empfinden Ehrfurcht vor dem Leben. Insofern kann man die österreichischen Jäger und Jägerinnen als oberste Umweltschützer bezeichnen, da sie diesen engen Bezug zur Natur haben und ihnen die Auswirkungen rücksichtslosen Verhaltens mehr als allen anderen bewusst ist. Da heißt es auch manchmal, Aufgaben zu übernehmen, die mit der Pflege dieser Natur- und Kulturlandschaft zu tun haben und weniger mit der Jagd. Ulrike zeigte mir das Ergebnis einer Flurreinigungsaktion im Revier auf einem Foto. Jede Menge Müll und Unrat wurde dabei zusammengetragen und von der Jagdgesellschaft in mühevoller Kleinarbeit entfernt.

Diese Liebe zur Natur und das Bewusstsein für den verantwortungsvollen Umgang sind also prägende Beweggründe für Elkes und Ulrikes Leidenschaft. Daneben erschien uns während unseres Gesprächs auch der Gedanke der Autarkie, den Ulrike angesprochen hatte, ein interessanter und aktueller. In Tagen, in denen die Abhängigkeit in Energie- und Versorgungsfragen diskutiert wird, ist Unabhängigkeit ein neuer Wert geworden. Lebensmittel selbst produzieren zu können, gewinnt wieder mehr an Bedeutung.

 

Die Vermehrung der Genussfreude

Neben den genannten Aspekten ist es auch die „Vermehrung der Genussfreude“, wie Elke es nennt, die die beiden Jägerinnen antreibt. Damit meint sie das Teilen des Erlebten und des Genusses mit anderen. In der Familie bedeutet das für die beiden, dass man das Gemeinsame lebt, dass man miteinander arbeitet und das Ergebnis der Arbeit gemeinsam zelebriert. Ulrike meinte, man lasse dann alles andere außen vor, wie die Politik, denn in diesen Momenten habe man einen gemeinsamen Nenner: die Jagd. Darüber kann man sich stundenlang unterhalten, was das Gemeinschaftsgefühl stärkt.

Mich erinnert das ein bisschen an meine eigenen Kindheitserinnerungen, als mein Vater den familieneigenen kleinen Weingarten bewirtschaftete. Wir waren keine Winzer, jedoch hatte früher fast jede Familie in Neusiedl am See zumindest einen kleinen Weingarten. Davon hätte man niemals leben können noch diesen ernsthaft neben einer anderen Tätigkeit betreiben. Also konnten wir auch etwas gelassener bei der „Lese“, der Weinernte, sein. Wie in einem italienischen Film kamen wir am Ende der Lese an einer Tafel im Weingarten zusammen, die mit weißem Tischtuch gedeckt war und für die meine Mutter ein köstliches Essen vorbereitet hatte.

Es sind die Erzählungen, die bleiben. Selbst kann ich mich gar nicht mehr so genau erinnern. Es ist diese Stimmung und die Lebensfreude und das Gemeinsame daran, das mir in den Sinn kam, als ich Elke und Ulrike zuhörte.

Die Genussfreude wird in die Stadt mitgenommen. Hier wird das Wildfleisch zu köstlichen Pasteten nach alten Familienrezepten verarbeitet. Die beiden Jägerinnen haben hierbei erkannt, dass sie die Idee der Nachhaltigkeit auch im Glas festhalten wollen – die Pasteten werden ausschließlich mit Bio-Zutaten verfeinert. Als ich sie beim ersten Zusammentreffen verkosten durfte, war ich bereits begeistert! Ein sehr edler Genuss und eine ganz wunderbare Geschenkidee!

 

Wildpastete von Wildkulinarik

 

Und nachdem ich zwar vorhabe, hier auf Steppe und Stadt weniger Rezepte, aber noch mehr Reportagen als in der Vergangenheit zu bringen, reizte es mich dennoch, ein Rezept mit Wild zu wagen! Elke gab mir, da zu jenem Zeitpunkt gerade keine Saison war, tiefgefrorenes Wildschweinfleisch und ich verarbeitete es zu „Wildschwein in Granatapfel-Walnuss-Sauce“. (Es war noch ein Rezept für kühlere Tage, das sich für den Herbst und Winter wieder perfekt eignen wird. Elke und Ulrike waren meine ersten Interviewpartnerinnen, als ich begonnen hatte, Steppe und Stadt inhaltlich neu zu denken.) 

Ich bedanke mich bei meinen Nachbarinnen herzlich für die so spannenden und berührenden Erzählungen! Und für meine Leser und Leserinnen gibt es hier noch das Rezept!

(Fotocredit Porträt Wildkulinarik: Michael Rathmayer; Porträt im Wald: Plankwallner; alle anderen: Wildkulinarik; Rezept: Steppe und Stadt)

 

Wildschwein in Granatapfel-Walnuss-Sauce

Zutaten (für 4 Personen):

  • 600 g Fleisch vom Wildschwein (habe in dem Fall den „Nussbraten“ verwendet; wenn gerade keine Saison ist, kann tiefgefrorenes Wild wunderbar verwendet werden; bitte dann eine Auftauzeit im Kühlschrank von 1-2 Tagen beachten) 
  • 1 große rote Zwiebel
  • 300 g geriebene Walnüsse
  • 170 ml Granatapfelsirup 
  • 475 ml Wasser
  • 1-2 Esslöffel Tomatenmark 
  • 2 Esslöffel Zitronensaft
  • 2 Esslöffel Zucker
  • 2 Zimtstangen
  • 1/4 Teelöffel Safranfäden, in sehr wenig heißem Wasser aufgelöst (z.B. in 2 Esslöffel Wasser in einer Espresso-Tasse) 
  • 100 ml Rotwein
  • Salz und Pfeffer
  • Olivenöl
  • Walnusskerne als Topping 

Das Wildschweinfleisch zunächst in kleine Würfel schneiden. Die Wildschweinwürferl in einer Pfanne, nachdem sie mit sehr wenig Salz und Pfeffer gewürzt wurden, kurz anbraten und zur Seite stellen. 

In etwas Öl (in einer beschichteten Pfanne) die Zwiebel (sehr kein gehackt!) anbraten und die geriebenen Walnüsse hinzufügen. Unter ständigem Rühren leicht rösten. Vorsicht, dass die Masse nur sehr leicht angeröstet wird, aber nicht anbrennt! 

Den Granatapfelsirup im Wasser auflösen und zur Zwiebel-Nussmischung hinzufügen. Ebenso Tomatenmark, Zitronensaft, Zucker, Zimtstangen und Safran beimengen und kurz aufkochen lassen. Schließlich die kurz angebratenen Wildschweinwürferl in die Sauce legen, nochmals sehr kurz aufkochen lassen und dann bei zuerst mittlerer, darin geringer Hitze 1 Stunde köcheln lassen, bis das Fleisch weich ist. Das Gericht kann mit Rotwein abgeschmeckt werden. Kosten und der eigene Geschmack spielen hier natürlich eine Rolle! Beim Servieren können noch klein gehackte Walnusskerne als Topping verwendet werden.

Zum Gericht passen Nudeln, Reis, Bratkartoffeln oder Kartoffelgratin, je nach Lust und Laune!

Als Weinbegleitung empfehle ich den roten Cuvée des Neusiedler Winzers Christoph Hess!

 

Wildschwein in Granatapfel-Walnuss-Sauce

 

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