Stefanie Renner im Bio-Talk über biodynamischen Weinbau

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(Unbezahlte Werbung / Reportage) Als Auftakt für meine Serie „Steppe und Stadt´s Bio-Talk“ war es mir ein Anliegen, zwei Winzerinnen zu interviewen, die ich schon einmal für meinen Blog besucht hatte und deren Zugangsweise und Art mir sehr sympathisch erscheint – es sind dies die Rennersistas in Burgenlands wohl bekanntester Weinbaugemeinde Gols. 

Ich traf Stefanie Renner fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem ersten Interview. Dieses Mal ging es mir darum, Fragen zu konkreten Bio-Themen zu stellen und mit Hilfe der Winzerin einmal zu erklären, was genau biologische und in weiterer Folge biologisch-dynamische Landwirtschaft ausmacht. Wo liegt die Abgrenzung zur konventionellen Landwirtschaft? Was ist erlaubt und was nicht? Und: Was genau ist ein Bio-Wein und was ein sogenannter Natural Wine?

Nachdem Susanne gerade hochschwanger war, nahm sich Stefanie Zeit für das Interview, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Mittlerweile ist übrigens auch Bruder Georg in den Weinbaubetrieb eingestiegen, was das Familienunternehmen nun abrundet. 

Abgrenzung konventionelle und Bio-Landwirtschaft

Was wird denn nun in der biologischen Landwirtschaft genau angewandt, fragte ich Stefanie Renner zu Beginn, denn mir selbst waren die Details, die die Praxis ausmachen, nicht ganz klar. 

Stefanie Renner begann mit der Definition, indem sie erklärte, was man in der biologischen Landwirtschaft als Spritzmittel gegen Krankheiten der Pflanzen verwendet. Gegen echten Mehltau („Oidium“) zum Beispiel ist das Spritzen von Netzschwefel erlaubt, was bedeutet, dass dieser Schwefel als Kontaktfungizid wirkt. Es wird eine Schicht zum Schutz der Pflanze gesprüht. Diese Wirkung wird durch den Einsatz von Netz- bzw. Haftmittel, wie Öle (z.B. Orangenöl, Kokosöl) verstärkt. 

Im Falle des falschen Mehltaus („Peronospora“) kommt der Einsatz von Kupfer (3 kg / ha) zur Anwendung, wobei man sehr geringe Dosierungen, die unter der gestatteten Menge liegen, anstrebt. 

In der biologischen Landwirtschaft werden keine Herbizide und Pestizide und kein synthetisch hergestellter Dünger verwendet. Unkrautvernichter, so erklärte auch Stefanie Renner, zerstören einen Teil der Umwelt, weil sie etwas wegnehmen, das man auch mechanisch bekämpfen kann. Der Einsatz solcher Mittel mündet in einem Teufelskreis, da man der Pflanze die eigenen Abwehrkräfte nimmt und die Kleinstlebewesen zerstört. Diese Dynamik brachte die Winzerin zur Überzeugung:

Eine Pflanze kann nicht für sich allein existieren. Das ist für mich eine absurde Vorstellung. Ich kann nicht unter dem Weinstock alles vernichten und zu Tode spritzen und erwarten, dass einen halben Meter darüber alles florierend ist. 

Die Begrünung des Bodens

Im biologischen und biodynamischen Weinbau spielt auch die Begrünung des Bodens eine große Rolle, um eine fruchtbare Umgebung für die Pflanze zu schaffen. Hier muss eine Balance zwischen dem Zugang, alles wegzuscheren, und jenem, alles verwuchern zu lassen, gefunden werden. Nachdem wir beim Plaudern in der Familie überlegt hatten, welche Pflanzen da in Frage kämen, stellte ich diese Frage auch Stefanie Renner. Für die Begrünung wählt man einerseits Pflanzen mit unterschiedlichen Wurzelsystemen, um möglichst alles abzudecken (also z.B. Tief- und Flachwurzler, solche, die viel verzweigt alles durchwachsen usw.), und andererseits vor allem Leguminosen (Stickstoffsammler), wie Rotklee, Weißklee, Inkarnatklee oder Phacelia. Daneben kommen Buchweizen, Gelbsenf (bei dem man beachten muss, dass er viel Wasser entzieht), Futtererbse, Esparsette, Sommerwicke und Leindotter zum Einsatz. Die Wahl der Pflanzen richtet sich nach dem Standort.

Biologisch-dynamischer Zugang

In der biologisch-dynamischen Landwirtschaft geht es noch mehr darum, zu verstehen, dass die Welt ein Organismus und ein zusammenhängender Kreislauf ist. Und dass die Welt wiederum Teil des Universums ist, in dem auch der Gang des Mondes eine Rolle spielt. Die Idealvorstellung wäre ein Betrieb, der in Wechselwirkung von Boden und Pflanze produziert und auch Tiere im Hofkreislauf einbindet. Es geht darum, zu erkennen, dass alles im Universum miteinander vernetzt ist. Aus all diesen Überlegungen zog Stefanie Renner für sich daraus folgenden Schluss:

Es geht darum, ein Bewusstsein zu entwickeln und nicht zu glauben, alleine auf der Welt zu sein oder anzunehmen, dass die Pflanze alleine auf der Welt ist. 

Die Winzerin meinte auch, dass vieles den Bauern, so auch in alten Bauernregeln, bewusst war. Zum Beispiel das Wissen darüber, wann es sinnvoll ist, bestimmte Arbeiten in der Landwirtschaft vorzunehmen. Es ist schade, dass viele dieser Regeln verloren gegangen sind. 

Für Familie Renner geht es auch darum, sich vor Augen zu führen, dass sich vieles gegenseitig befruchten kann. Daher war es ihnen beim Anlegen eines neuen Weingartens auch wichtig, die Vielfalt in der Natur zuzulassen. So wird das Feld auch für Bienen, Schmetterlinge und andere Insekten attraktiv gemacht. 

 

Zitat Stefanie Renner

 

Für Tees, die in der biodynamischen Landwirtschaft zum Einsatz gelangen, pflückt Stefanie Renner viele Pflanzen selbst. Dazu gehören unter anderem Schafgarbe und Brennessel. Der Schafgarbe wird nachgesagt, dass sie den Einsatz des Schwefels reduziert. 

Während es einerseits die Arbeit in der Natur ist, die auch die Rennersistas so reizt, ist es andererseits auch der Austausch mit Gleichgesinnten, der ebenso viel Inspiration für das eigene Tun bedeutet. Für die Herstellung der Präparate, die man in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft verwendet, wird innerhalb der örtlichen Biodynamik-Gruppe zusammengearbeitet. (Das Foto zeigt eines der Präperate, das Hornkieselpräperat.) 

 

Biodynamisches Präperat

 

Die Einbindung von Tieren

Auch um Tiere in den landwirtschaftlichen Kreislauf einzubinden, werden Kooperationen geschlossen. Nachdem Familie Renner auch oft zu internationalen Messen und Veranstaltungen reist, ist die eigene Tierhaltung im Moment kein Thema. Im letzten Winter hat man jedoch mit einem ortsansässigen Schafzüchter zusammengearbeitet, der seine Schafe in die Weingärten der Renners brachte. 

Als ich, weil ich vor dem Interviewtermin noch Zeit hatte, noch die Aussicht von den Golser Hügeln auf den Neusiedler See genoss, entdeckte ich zufällig jene Schafe. Damals filmte ich sie für eine private WhatsApp-Nachricht. Eigentlich hatte ich vor gehabt, die Schafe für diese Reportage nochmals zu besuchen und zu fotografieren. Aufgrund der aktuellen Situation wurde daraus nichts. Also habe ich kurzerhand den vorhandenen Film, den ich spontan gemacht hatte, bearbeitet und unter „Sheep in Gols´ Hills“ bekommt man jetzt auf YouTube einen kurzen Eindruck von der Schönheit der Landschaft und den weidenden Schafen. 

Rage against the machine

Die soziale Komponente, die Stefanie Renner mit den Kooperationen ansprach, kommt auch in der Aktion „Rage against the machine“ zum Ausdruck. Diese Idee geht auf den jungen Winzer Franz Weninger aus Horitschon zurück, der für die gleichen Ideale wie die Rennersistas eintritt.
Mit „Rage against the machine“ ist ein Plädoyer für die Handlese gemeint. Das, so Stefanie Renner, ist zutiefst mit einem sozio-politischen Thema, nämlich dem Schaffen von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft, verbunden. Und es geht um das Leben eines Kulturguts und das Hochhalten von Werten: In vergangenen Zeiten war es das Miteinander, das die Lese, das die Ernte ausmachte. Am Ende der harten Arbeit gab es ein großes Fest, wo man an einer gemeinsamen Tafel Platz nahm. Dieses gemeinsame Erleben soll wieder ins Bewusstsein geholt werden.

Bio-Wein, Natural Wine und Orange Wine – Was sind die Unterschiede?

Die Definition dieser oft zitierten Begriffe ist relativ einfach:

Unter Bio-Wein versteht man einen Wein, der aus biologischem oder biologisch-dynamischem Weinbau stammt. 

Beim Natural Wine bestehen Auslegungsvarianten. Stefanie Renner meinte jedoch, dass Natural Wines zumindest aus der biologischen Landwirtschaft stammen und das Resultat natürlicher Prozesse sein sollten. Zur Veranschaulichung brachte sie den Vergleich von Sauerteigbrot und Backmischung beim Brotbacken ein. 

Natural Wines benötigen ihre Zeit, denn die Prozesse bei der Weinentstehung sollen nicht abgekürzt werden. So wird auch keine künstliche Hefe (von außen) zugeführt. Die Ergebnisse schmecken daher auch nicht uniform. 

Ein häufiges Charakteristikum von Natural Wines ist auch, dass unfiltrierte Weine zu finden sind. 

Orange Wine bezieht sich schließlich auf die Farbe, die auf den Maische-Kontakt bei der Weißweinherstellung zurückgeht. Ein Orange Wine muss aber nicht unbedingt ein Natural Wine sein. 

Zweigelt zu Tortillas

Da ich gerade keinen Wein des Labels „Rennersistas“ bei der Hand hatte, aber einen der Familie Renner, habe ich diesen als Weinbegleitung für ein simples Rezept gewählt. Außerdem fand ich das gerade jetzt, wo wir aufgrund der Corona-Krise den Wert der Familie wieder neu bewerten und schätzen lernen, eine nette Idee! Und auch „Renner und Rennersistas“, ergänzt nun durch den Bruder, stehen bewusst als Familie für ihre Werte ein. Alle Weine entspringen der Liebe für das Handwerk und dem klaren Bewusstsein für den respektvollen Umgang mit der Natur. 

 

Zweigelt zu Tortillas

 

Und gefüllte Tortillas kann ich auch im Sinne der #alleswirdgutküche, jener Initiative Alexandra Pallas, die ich im letzten Blog-Post erwähnte, empfehlen. Wenn man Tortillas und einige gute Zutaten zu Hause hat, lässt sich auf diese Weise immer ein tolles Dinner zaubern. In dem Fall habe ich die Tortillas mit Olivenpaste, klein gehackten roten Zwiebeln, etwas Avocado und klein gehacktem Chicorée gefüllt. Darüber kamen Pfeffer, getrockneter Majoran, geröstete Pinienkerne und frisch gezogene Sprossen! Dazu ein Glas burgenländischen Rotweins – was will man mehr?

Bekenntnis zur Natur

Schließen möchte ich diese Reportage aber mit einer Filmempfehlung. Bekanntlich haben wir ja im Moment viel Zeit, zu Hause entspannt Filme zu genießen… 

Inmitten einer stressigen Woche und vieler mich zermürbender Gedanken, die je endeten, als uns das Ausmaß der aktuellen Situation bewusst wurde, erreichte mich eine Nachricht Stefanie Renners, dir mir jenen Film empfahl. Ich war sehr gerührt, dass sie an mich gedacht hatte, und schon der Trailer löste eine positive Stimmung in mir aus – und daher lege ich euch, meine lieben Leserinnen und Leser, diesen Film ebenso ans Herz, wie es Stefanie Renner tat. Und ich habe den Film mittlerweile auch gesehen und es betätigte sich mein erster Eindruck. 

„The Biggest Little Farm“ zeigt ein ehrgeiziges und engagiertes Projekt in Kalifornien auf, das einem Traum erwachsen ist und demonstriert, wie Landwirtschaft sein sollte – in Dankbarkeit für das, was uns die Natur gibt, und im Einklang zwischen Pflanze, Tier und Mensch. So wie es auch Familie Renner lebt. 

Fotocredit Porträt Stefanie Renner: Ingo Pertramer

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