(Unbezahlte Werbung/Reportage) Endlich wieder ein Interview! Im Rahmen meiner Serie “Steppe und Stadt´s Bio-Talk” habe ich dieses Mal Christina Zwickl im burgenländischen Seewinkel besucht, die mit Leidenschaft und aus Überzeugung der Slow Flower-Bewegung folgt und deren zarte wie üppige Blumengebinde nicht nur Hochzeitspaare erfreuen. Die Blumen stammen nicht nur aus dem Burgenland, sondern auch vom Hühnersteig in Wiens 14. Bezirk, einem Teil des Wienerwaldes.
Ich weiß nicht, wann ich zuletzt in Tadten im Seewinkel war. Die südlichsten Punkte, die ich meistens erreiche, sind Frauenkirchen oder manchmal St. Andrä am Zicksee. Tadten liegt eine Gemeinde weiter, wenn man St. Andrä verlässt. Eine weite Ebene und ein von der Landwirtschaft geprägtes Gebiet. Tadten ist die Heimat von Christinas Familie. Hier hat sie am Grund ihrer Großmutter begonnen, Blumen zu züchten. Wir treffen uns an einem Freitagnachmittag. Und stellen fest, dass wir viel gemeinsam haben…
Wie alles begann…
Christina hat bei Null angefangen und sich ihren großen Traum erfüllt. Auch sie bewegt sich zwischen Steppe und Stadt und hat in der Arbeit in und mit der Natur ihre Ruhe und Erfüllung gefunden. Dabei war der Weg kein leichter und auch kein alltäglicher. Doch wie kam es zum Projekt “Blumen vom Hühnersteig“?
Christina hatte Publizistik studiert, aber immer nach einer Betätigung gesucht, in der sie ihre Kreativität ausleben und handwerklich aktiv werden konnte. Irgendwann hatten es ihr auf dem Weg dorthin amerikanische Wedding-Blogs angetan, damals entstand wohl auch das Interesse am Blumenschmuck für Hochzeiten. 2014 wechselte sie beruflich nach Graz, kannte dort niemanden und hatte Zeit, Neues zu erkunden. So stieß sie auf Margrit de Colle, die das Konzept der Slow Flowers nach Österreich gebracht hatte. Sie betreibt eben in der Steiermark eine Bio-Blumen-Landwirtschaft mit Namen Vom Hügel, die ihresgleichen sucht. Als Christina Margrit de Colle erwähnt, muss ich schmunzeln. Ich folge “Vom Hügel” seit einigen Jahren auf den Sozialen Medien und wünsche mir, die Zeit zu finden, einen Ausflug dorthin zu unternehmen, denn bei Bio-Koch Johann Reisinger habe ich im Rahmen eines Workshops die Dahlien kennengelernt, die aus de Colles Anbau stammten und die wir in der Küche verarbeiteten.
Christina besuchte also einen dreitägigen Kurs bei Margrit de Colle. Dabei gab ihr die Bio-Blumengärtnerin einen Kübel und eine Schere in die Hand und schickte sie auf den Acker, um Blumen auszuwählen und zu schneiden.
Margrit gibt einem einen Kübel und eine Schere in die Hand und sagt: “Schneide dir deine Blumen ab!” Und dann stand ich auf diesem Acker und dachte: Das ist herrlich – genau das will ich auch machen!
Sie traf eine Vereinbarung, de Colle zu helfen und von ihr lernen zu dürfen. Doch nun stand Christina auch vor der Frage, wie sie die Voraussetzungen erfüllen sollte, ihre Leidenschaft auch beruflich umzusetzen und sie stieß auf die Akademie für Naturgestaltung, eine der zwei Meisterschulen für Floristik in Österreich. Gut an dieser Institution war, dass sie auch für Quereinsteiger geeignet ist. Doch das alleine reichte ihr nicht – Christina wollte das Handwerk wirklich von der Pike auf lernen und Praxiserfahrung sammeln, weswegen sie als Volontärin in einem Floristikgeschäft zu arbeiten begann.
Eine von Christinas Kreationen
Von der Leidenschaft zur Profession
So konnte Christina wertvolle Erfahrungen sammeln, absolvierte im Jahr 2018 die Lehrabschlussprüfung und danach die Meisterprüfung. Sie begann, am Hühnersteig in Wien, wo sie heute wohnt und auch Workshops anbietet, jede Menge Blumen anzubauen. Und daneben ging es daran, auch den ehemaligen Gemüseacker der Großmutter für ihr Projekt zu reaktivieren!
Als Kinder waren wir immer unterwegs am Acker. Die Großeltern waren klassische Gemüsebauern, die Gurkerl, Paradeiser und Paprika anbauten. Das befand sich alles im Freiland, so wie auch Kukuruz, Getreide und Kartoffeln. Sie haben das ein bisschen mitgeprägt – die Liebe zur Erdarbeit.
Erdarbeit – was für ein schöner Begriff! Darum geht es, sich geerdet zu fühlen, indem man seinen Weg findet und auch für mich bedeutet die Arbeit in der Natur etwas sehr Ursprüngliches, Ruhe gebendes…
Im burgenländischen Garten
Auf diesem großelterlichen Grund gedeihen nun alle möglichen Blumensorten, die Christina liebevoll in Kunstwerke verzaubert! Hier entstand auch ihre eigene Werkstatt, ein kleines Häuschen, das einfach alles hat, was eine Werkstatt benötigt. Einen geeigneten Holztisch zum Blumenbinden, Fließwasser und praktische Regale. Als ich an jenem Freitagnachmittag dieses Gartenhäuschen betrete, verströmt es ein ganz besonderes Flair für mich. Ich weiß nicht warum, aber ich muss an diese Filme, die in der Toskana oder der Provence handeln, denken. Es sind dieser Duft nach Holz und Blumen, der bezaubernde Ausblick aus dem Fenster und vielleicht auch die pannonische Umgebung.
Der zauberhafte Blick aus dem Werkstattfenster
Wie so oft führen solche Projekte auch zum Austausch und Zusammenhelfen innerhalb der Familie. So hat Christinas Vater eigene Hochbeete errichtet, in der das Grün und die Farben nur so sprießen und die ein Hingucker im Blumengarten sind. Dass ich ihren Vater von einem anderen Projekt her kenne, ist auch ein schönes Detail und zeigt wieder, wie klein die Welt und wie besonders verbunden sie über das Burgenland hinaus ist.
Christina im burgenländischen Garten
Schwerpunkte und Slow Flower-Bewegung
Der Schwerpunkt des Projekts “Blumen vom Hühnersteig” liegt sicherlich in der Gestaltung von individuellen Blumenarrangements für Hochzeiten. Daneben bietet Christina Workshops im Burgenland und in Wien an, sowohl im Sommer als auch in der Adventzeit! Mein letzter Adventkranz stammte übrigens auch aus Christinas Hand und sie hatte ihn eigens als Trockenkranz gestaltet, weil ich Angst hatte, meine damals sehr kleinen Katzen könnten sich an anderen Teilen vergiften.
Besonders zeichnet Christina aus, dass sie sich Gedanken über den Umgang mit der Natur macht und sich neuerdings auch der Slow Flower-Bewegung verpflichtet fühlt. Was in der Lebensmittelproduktion und Kulinarik schon länger thematisiert wird, führt nun langsam auch in der Floristik zur Diskussion: die Produktionsbedingungen und die Assoziation mit Natur und Klima.
Was die Ernährung betrifft, lässt sich das Thema sicher leichter transportieren, geht es doch unmittelbar darum, was man zu sich nimmt. Bei Blumen wurde das lange nicht hinterfragt. Doch hat nun auch hier ein Denkprozess begonnen, der sich mit den Hintergründen dieser Industrie beschäftigt.
Das Verlangen, jederzeit und zu jeder Jahreszeit, über Schnittblumen aller Art zu verfügen, hat dazu geführt, dass jede Menge Blumen nach Europa importiert werden, die aus einer Produktion stammen, die fern jeder natürlicher Umgebung stattfindet, und unter nicht fairen Arbeitsbedingungen, wie Kinderarbeit, geschieht. Diese Produkte gelangen schließlich über lange Transportwege hierher.
Die Slow Flower-Bewegung hat es sich zum Ziel gesetzt, diesen Kreislauf zu durchbrechen und das Bewusstsein für fair produzierte Bio-Blumen zu stärken. Dazu gehört es auch, wie zum Beispiel auch im Fall der immer zitierten Erdbeeren, im besten Fall Blumen zu wählen, die gerade auch Saison haben!
Christina berichtet mir auch davon, dass viele dieser unter unnatürlichen Bedingungen gezüchteten Blumen gar nicht mehr riechen. Ich muss ihr Recht geben, das ist leider wahr. Und dann denke ich auch an unsere Damaszener Rosen aus dem Neusiedler Garten, wie herrlich diese duften! Jede Menge fantastisch riechender Blumen schneidet Christina auch an diesem Tag im Garten ab. Nachdem ich die Beiträge auf Steppe und Stadt in den nächsten Wochen und Monaten dem Jubiläum “100 Jahre Burgenland” widmen möchte, hat sie die wunderbare Idee, einen “Jubiläumsstrauß” zu binden! Gesagt, getan. Die frischen Blumen werden in der zauberhaften Werkstatt zu einem grandiosen Strauß gestaltet, den schließlich (aufgrund meiner wilden und alles verzehrenden Kätzchen) meine Mutter in Neusiedl am See als Geschenk erhält! So erfreut auch sie sich an den Bio-Blumen aus dem Seewinkel!
Christina mit dem Jubiläumsstrauß
Bei Christina bedanke ich mich nicht nur für diesen wunderschönen Strauß und die originelle Idee, sondern auch für das Vertrauen und das bereichernde Interview! Es wird nicht unsere letzte Begegnung gewesen sein…